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Einweihung des Denkmals auf dem Rönneberg

Ein Bericht des Festtages am 17. Juni 1913 zur 25-jährigen Regierungszeit Kaiser Wilhelms und der Einweihung eines Denkmals auf dem Rönneberg, das unter anderem auch dem Bentheimer Landwehrbataillon gewidmet ist. Aus dem

Kreisblatt für den Kreis Grafschaft Bentheim
vom 18.06.1913

Uelsen, 18. Juni 1913. Der gestrige Festtag brachte alt und jung auf die Beine. Glockenklang leitete um elf Uhr vormittags das Ereignis ein, kaum aber waren die bekannten Beiertöne eine halbe Stunde lang erschollen, als Musik beim Kriegerdenkmal gegenüber der Kirche hörbar wurde. Das war nicht vorgesehen, in dankenswerter und kameradschaftlicher Weise hatte jedoch der Kriegerverein Wilsum die zwölf Militärmusiker veranlaßt, auf halben Wege von der Eisenbahn hier einige Weisen zu spielen. Viele Menschen strömten hinzu, um sich an der schönen Musik zu ergötzen. Zunächst erklang die Melodie des Gesanges "Lobe den Herren", dann brauste die Weise des altniederländischen Volksliedes "Wilhelmus van Nassauven" durch die Lüfte, den Schluß bildeten einige flotte Märsche.Somit war die Feststimmung gut vorbereitet. Es war diese Einleitung gleichsam der erste Dank für die vielen Mühen, die verschiedene Einwohner mit der Beflaggung der Häuser und mit der Schmückung der Straßen gehabt hatten. Allerdings, das braucht nicht verschwiegen zu werden, an einigen Stellen war die Ausstattung ziemlich dürftig geworden, dafür zeichneten sich aber andere Ortsteile um so vorteilhafter aus. Namentlich war es die Hauptstraße von der Post an bis zum westlichsten Ende, wo sich mehrere Ehrenbögen befanden, die seitlich durch frisches Buschgrün mit einander verbunden waren. Auch die Hohe Straße war in ähnlicher Weise reichhaltig verziert und auch sonst fielen kurze Strecken und einzelne Häuser durch sinnigen Festschmuck auf.

Gegen zwei Uhr ordnete sich der Festzug auf dem Kirchplatze, voran die Spielleute des Kriegervereins, dann die aus Lingen verschriebene Musik, weiter die vier Schulklassen mit etwa 220 Kindern, ihnen folgte der Schützenverein und den Schluß bildete der Kriegerverein. Bei der Wohnung des Bürgermeisters wurden die Mitglieder des Gemeindeausschusses eingereiht, die Dorffahne vom Jahre 1884 wurde ihnen vorangetragen, so daß der Zug mit den drei Fahnen recht stattlich war. Unter den sengenden Strahlen der Junisonne begaben die Teilnehmer sich bergan auf sandigem Wege zum Rönneberge am Südostende des Ortes. Dort war unter drei mittelstarken Linden ein Denkzeichen in Form einer dreiseitigen Pyramide aus Findlingen errichtet; das Zeichen sollte der Öffentlichkeit übergeben werden.

Aus Kindermund erklang zum Auftakt dazu das altholländische Volkslied "Wir treten zum Beten", darauf hielt der Vorsitzende des Kriegervereins eine Ansprache und wies dabei sowohl auf den Zweck und auf die Entstehung dieses einfachen Denkmals hin. Die Rede klang in ein begeistert aufgenommenes Kaiserhoch aus, zahlreiche geputzte Menschen hatten sich zu diesem Zweck auf der genannten Höhe eingefunden. Das Erinnerungszeichen ähnelt denjenigen, die aus dem gleichen Anlaß in Neuenhaus, Nordhorn und Bentheim gesetzt sind; nicht jedem gefällt die hiesige Ausführung. Doch wird die Beurteilung wie überall je nach dem jeweiligen Geschmack gefällt werden. Nachdem Seiner Majestät die Huldigung dargebracht war, trat der Bürgermeister Jacobs vor und sprach die Hoffnung aus, das Denkmal möchte niemals beschädigt werden, nie möchten unwürdige Worte über seinen Stifter gesprochen werden, es möchte vielmehr für alle Zeiten Uelsens Bewohner daran erinnern, daß die große Zeit der Freiheitskriege in uns ein verständnisvolles Geschlecht gefunden hätte, und es möchte dieses Mal ein Zeugnis ablegen von Königstreue, von Vaterlandsliebe und von Gemeinsinn.

Zurück gings nun zur Hauptstraße, wo zwei Wagen für die Kriegsteilnehmer bereit standen. Sieben Veteranen waren erschienen, die übrigen fünf Ehrenmitglieder des Kriegervereins waren leider durch Trauer oder Krankheit verhindert. Der Durchzug durch die Dorfstraßen geschah in derselben Reihenfolge wie vorhin, auf dem Kirchplatze marschierten aber die ehemaligen Soldaten in zwei starken Zügen parademäßig an ihren Ehrenmitgliedern und an den Gemeindeausschußmitgliedern vorbei. Das Zusammenwirken der hiesigen Trommler und Pfeifer berührte auch diesmal durch seine Genauigkeit wieder recht angenehm. Noch einmal wurde der Parademarsch in Vereinskolonne wiederholt, dann begab sich alles zum Nackenberge. Dort erklang bald die Konzertmusik, es bildeten sich fröhliche Gruppen, hier und da erschollen Lieder, für kühle Getränke hatte der Tageswirt reichlich gesorgt. Den Höhepunkt dieses Teiles bildete ein Festspiel der Schuljugend. "Der König rief und alle, alle, alle kamen" war es betitelt, die jungen Spieler hatten unter der Leitung eines Lehrers sich die vielen Mühen nicht verdrießen lassen, um ihren älteren Ortsgenossen etwas Außergewöhnliches zu bieten, und sie haben ihre Aufgabe vorzüglich gelöst. Reicher Beifall wurde ihnen darum als Dank zu teil. Bald nach sieben Uhr wurden die drei Fahnen wegbegleitet, nachdem aber das Abendgeläute verklungen war, fing für die tanzfrohe Jugend der Festball an. Der Raum erwies sich als zu klein, jedoch wurde die Enge durchaus nicht als qualvollfürterlich ertragen, sondern es herrschte ein ungebundener Frohsinn. Wer bei irgend einem Festteile beteiligt gewesen ist, sei es als Mitglied oder als Zuschauer, der ist gewiß um eine angenehme Erinnerung reicher. Die Rede aber, die auf dem Rönneberge gehalten wurde, hatte folgenden Wortlaut:

Geehrte Festversammlung, Mitbürger, Kameraden Schuljugend.

Wir begehen heute ein Fest und gedenken dabei deutscher Not, deutschen Ringes, aber auch deutscher Kraft. Ihnen aber, unseren Vorvätern, denen zu Ehren wir teilweise heute feiern, ist gar nicht so wohl zu Mute gewesen wie uns, den heute Feiernden, denn vor 100 Jahren lag unsere Gegend noch gleich dem größten Teile von Deutschland in Schmach und Schmerz. Wohl keine Familie gab es, die nicht einen Sohn, Bruder oder Vater zu betrauern hatte, weil er in den dürren Gefilden Spaniens oder auf den eisigen Fluren Rußlands umgekommen war; und kaum waren die großen Heere Napoleons vernichtet, da befahl der Eroberer die Bildung neuer Streitkräfte. Unsere Landsleute mußten unter seinen Fahnen gegen die verbündeten Heere der Preußen, der Russen, der Österreicher, der Schweden kämpfen. Kaum drang eine dunkle Kunde zu den Lieben in der Heimat aus irgend einem Heerlager, von irgend einem Marsche, aus einer Festung oder Lazarett. Und die daheimgebliebenen mußten Kriegsfuhren auf Kriegsfuhren leisten, Kriegssteuern auf Kriegssteuern zahlen, so daß die Not aufs höchste stieg. Selbst nach der Völkerschlacht von Leipzig hatte die Drangsal noch lange nicht ihr Ende erreicht, denn nun galt es die siegreichen Truppen zu verpflegen und sie zu ergänzen. Es wurde die letzte Mannschaft aufgeboten, die unter dem Namen des Bentheimer Landwehrbataillon zusammentrat. Die Truppe hat ihre Schuldigkeit getan, wenn sie auch selbst nicht im Feuer gewesen ist. Während der Schlacht bei Waterloo haben aber unsere Landsleute einen Bergübergang besetzt und hätten die Franzosen aufhalten helfen, wenn die Schlacht für die Engländer und Preußen verloren gegangen wäre Später hat die Schar an der Belagerung der Festung Camgrai teilgenommen, und ist später bis vor Paris gekommen. 60 Mann von den ausgezogenen Sechshundert haben die heimischen Fluren nicht wiedergesehen, sie sind an Kriegsseuchen gestorben. Im Anfang des Jahres 1816 sind die Überlebenden zurückgekehrt. Pastor Visch in Wilsum hat sie in begeisterten Versen als Helden gefeiert, den Teilnehmern aus hiesigem Kirchspiel ist eine Eiche auf dem Kirchplatze gepflanzt. Der Baum droht jetzt auszugehen, dafür setzt das Dorf ihnen dieses Denkzeichen hin als Zeichen deutscher Not, deutschen Ringens, aber auch deutscher Kraft. Wer diese drei Linden, die das Zeichen beschatten, gepflanzt hat, wer vermag es zu sagen? Vielleicht ist es Wedekind gewesen, einer jener Waterlookämpfer, der im hohen Alter vor etwa 30 Jahren gestorben ist, und der langjährige Bürgermeister, dem das Dorf wegen seinen Tannenpflanzungen so ungeheuer viel zu verdanken hat. Dem unbekannten Pflanzer sei aber in dieser Stunde ein Dank gezollt.

Wir sind hier auf Gemeindeboden, haben von hier aus eine herrliche Rundsicht auf Dorf, Kirchspiel und einen großen Teil der Grafschaft. Keine Gemeinde vermag eine Bessere Stelle für diesen Zweck aufzuweisen. Dieser Punkt wird ein Wanderziel sein für Einheimische, für Landsleute die aus der Fremde die Heimat besuchen, für Andere, die die Reize unserer Hügellandschaft kennen lernen wollen. Wir werden Efeu, wilden Ginster, Stechpalmen hier pflanzen, so daß die Stelle ihrer Bestimmung recht würdig wird. Fragen wir uns aber, sind wir auch würdig der Männer, zu deren Ehren wir teilweise dieses Fest begehen? Diese Frage darf ohne Weiters mit Ja beantwortet werden, wenn wir die Entstehung des Denkzeichens betrachten. Die Sammlung hat ein reiches Ergebnis gebracht, jeder Uelser darf sich getrost darüber freuen. Ob wir aber im Herzen so feiern, wie es einem vaterländischen denkenden Menschen zukommt, das ist eine Frage, die ein jeder mit sich selbst abmachen muß. Freuen wir uns aber, daß wir Männer unter uns haben, die in der Erinnerung an die große Zeit der Befreiungskriege für alle Zeiten etwas schaffen, das Herz und Geist erfreut, nämlich ein Denkmal deutscher Not, deutschen Ringes, aber auch deutscher Kraft. Seien wir dankbar den Männern des Gemeindeausschusses die in selbstloser Weise haben mit schaffen helfen, seien wir dankbar den Lehrern, die Schuljugend ein Festspiel gelehrt haben, wir werden uns nachher noch darüber freuen.

Werfen wir aber nochmals einen Blick auf die Vergangenheit, auf die Zeit deutscher Not, deutschen Ringens, aber auch deutscher Kraft. Wenn jene Freiheitskämpfer ihren Lands und Zeitgenossen, sowie ihren Nachkommen ein Vaterland wiedergewonnen haben, dann ist ihre Freude darüber jedenfalls sehr groß gewesen. Aber ebenso sicher ist, daß sie nicht lange die reine Freude darüber haben genießen können, denn nach den Freiheitskriegen brauchte das deutsche Volk Ruhe, um sich in harter Arbeit von den schweren Nöten zu erholen. Handel und Verkehr blieben noch lange gelähmt, bei uns herrschte geradezu eine wirtschaftliche Notlage. Armut, Bettelei, allerhand Laster waren bei uns an der Tagesordnung, örtliche und kirchliche Nachrichten legen hinreichend Zeugnis davon ab, auch bestätigen Erinnerungen und Überlieferungen den kläglichen Zustand. Es gab wieder deutsche Not, deutsches Ringen, aber auch deutsche Kraft. Die deutsche Kraft offenbarte sich besonders in den großen Einigungskriegen der Jahre 1864, 1886, 1870 und 71 wo ein einiges deutsches Reich erstanden ist. Es trifft sich gut, daß unser Kaiser gerade in diesen Tagen auf eine 25 jährige Regierungszeit zurückblickt. Wie hat sich gerade in diesen 25 Jahren Handel und Wandel entwickelt, wie hat sich der Wohlstand gehoben, wir im Süden der Niedergrafschaft, hart an der holländischen Grenze, sind bei dem wirtschaftlichen Vorausgange nicht so gut gefahren, wie unsere Landsleute anderwärts. Was sollen wir dabei tun? Handeln nach dem Mahnrufe eines großen Volkswirtes: "Arbeiten und nicht verzweifeln!" Vor allem sollen und wollen wir uns die Freude am Gedeihen des großen gemeinsamen Vaterlandes nicht verkümmern lassen, das uns die Helden dort mit den Kriegsdenkmünzen mit Gut und Blut und im Tode errungen haben. Trotz aller Lasten, trotz aller persönlichen Pflichten, die die Erhaltung des Friedens von uns fordert, wollen wir rufen: Unser gemeinsames Vaterlande und der Herrscher an der Spitze, Seine Majestät Kaiser Wilhelm II sollen leben hoch, hoch, hoch!

 


Der Beitrag wurde uns zu Verfügung gestellt von Gerrit-Jan Hesselink, Heimatverein Uelsen und Umgebung e. V.

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Erstellt: 12.07.2005, letzte Änderung: 12.07.2005    www.Uelsen-und-Umgebung.de